22.11.2024 | Gemeinderat möchte Gebäude nicht an Nahwärme anschließen
Nach intensiver Beratung und leidenschaftlicher Diskussion konnte sich der Gemeinderat nicht dazu durchringen, die Gebäude der Gemeinde an das geplante Nahwärmenetz der Egenhausen-Wärme-GmbH anzuschließen. Damit ist das Nahwärmeprojekt – zumindest in der geplanten Form – wohl nicht umsetzbar.
Zu Beginn blickte Bürgermeister Sven Holder nochmals zurück, wie es zu dem Nahwärmeprojekt gekommen ist. Anlass war, dass einige Heizungen in Gemeinde-Gebäuden vor dem Austausch stehen und alle immer noch mit Heizöl beheizt werden. Daher habe man sich Gedanken, über ökologisch nachhaltige, aber auch wirtschaftliche Alternativen gemacht. Nach dem Vorbild der Wärmenetze in Altensteig und Pfalzgrafenweiler war die Idee, auch in Egenhausen eine eigene Wärmeversorgung aus regional erzeugten Brennstoffen aufzubauen. Ein Gutachten hat im Jahr 2022 jedoch ergeben, dass ein Wärmenetz allein für die Gemeinde-Gebäude nicht wirtschaftlich ist, sondern zusätzlich private Gebäude benötigt würden. Im Zuge des Glasfaserausbaus wurden Synergieeffekte gesehen, parallel dazu ein Wärmenetz aufzubauen. Somit hat sich im März 2023 die private Wärme-GmbH mit drei Gesellschaftern aus Egenhausen gegründet. Die Gemeinde hat das Projekt von Anfang an begrüßt und begleitet; ein
hoher Bundeszuschuss konnte generiert werden. Im Laufe der Zeit haben sich jedoch einige Hürden ergeben, wie zum Beispiel der Standort des Heizhauses, die Wirtschaftlichkeit und das Mitbestimmungsrecht der Gemeinde. Im Februar 2024 hat der Gemeinderat daher der Wärme-GmbH einige Bedingungen gestellt, wie zum Beispiel Prüfung der Wirtschaftlichkeit von unabhängigen externen Gutachtern sowie Preisvorstellungen und Mitbestimmungsrecht der Gemeinde im Falle einer Veräußerung des Wärmenetzes. Die von der Gemeinde beauftragten Wirtschaftlichkeitsgutachten der externen Gutachter lagen nun vor und sprechen sich unabhängig voneinander für das Nahwärmeprojekt aus. Alle Bedingungen des Gemeinderats seien nun erfüllt, so dass jetzt entschieden werden kann. Bürgermeister Holder war zudem wichtig zu betonen, dass ein solches Projekt nur in einem gemeinsamen Miteinander gelingen kann und ein gemeinsamer Lösungsweg dafür nun auf dem Tisch liege.
Wirtschaftlichkeitsgutachten haben Nahwärmeanschluss empfohlen
Zuerst trug Herr Matthias Kühn, unabhängiger Wirtschaftsprüfer aus Bad Liebenzell, sein Gutachten über die Wirtschaftlichkeit des Gesamtprojekts vor. Die Finanzierung des Nahwärmeprojekts sei über das Eigenkapital der Gesellschafter, stille Einlagen von Bürgern, die Bundesförderung sowie ein Bankdarlehen gesichert. Das laufende Betriebsergebnis würde nach der Investition in das Wärmenetz eigentlich recht schnell positiv werden. Jedoch drücken die hohen Zinsaufwendungen das Ergebnis nach unten, so dass erst ab 2032 mit nachhaltig positiven Ergebnissen zu rechnen ist. Jedoch ist die Rentabilität und Wirtschaftlichkeit des Projekts nachgewiesen. „Das Investitionsvorhaben der Egenhausen Wärme GmbH ist gut durchdacht und zeigt sich sowohl in der Planung als auch in der Umsetzung als tragfähig und zukunftsorientiert“, fasste Herr Kühn seine Beurteilung zusammen. Er machte jedoch deutlich, dass das Projekt ohne einen Anschluss der Gemeinde-Gebäude in dieser Form nicht wirtschaftlich wäre.
Herr Philipp Hein vom Ingenieurbüro Liepelt aus Baiersbronn empfahl aus wirtschaftlicher Sicht der Gemeinde Egenhausen ebenfalls einen Anschluss an das Nahwärmenetz. In seinem Wirtschaftlichkeitsvergleich stellte er einen Anschluss von sechs Gemeinde-Gebäuden an das Nahwärmenetz mit einem jeweiligen Einbau einer Pelletsheizung sowie einer bivalenten Heizanlage mit Wärmepumpe und Öl gegenüber. Die Nahwärmeheizungen zeigen sich nach dem Preisvergleich als die eindeutig günstigste Alternative, zumal hier aufgrund des Vertragsverhältnisses eine gewisse Preissicherheit herrsche, während man bei anderen Brennstoffen die Preisentwicklung weniger in der Hand habe. Selbst wenn nicht alle kommunalen Gebäude sofort angeschlossen werden, wäre die Nahwärme günstiger als die anderen Varianten.
Herr Stefan Tittl gestand für die Egenhausen-Wärme-GmbH Fehler in der Projektentwicklung ein und bedauerte deren Entscheidung im Sommer, ohne Absprache mit der Leitungsverlegung begonnen zu haben. Er appellierte daran, den Weg nun miteinander zu gehen und brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass die Gemeinde ihre Gebäude anschließt, auch wenn es zunächst evtl. nur drei oder vier Gebäude wären. Die Nahwärme garantiere eine Wärmeversorgung aus regional erzeugten, ökologischen Brennstoffen, wo man die Preisentwicklung selber in der Hand habe.
Gemeinderat bleibt skeptisch und bezweifelt Wirtschaftlichkeit
Gemeinderat Waßilowski verlas daraufhin eine „gemeinsame Stellungnahme des Gemeinderats“ zum Anschluss der kommunalen Gebäude an das Nahwärmenetz. Er sagte, dass sich der Gemeinderat die Entscheidung nicht leicht gemacht habe und wichtig sei, die Beweggründe für die Entscheidung ohne Schuldzuweisung offen darzustellen. Er bedauerte, dass sich der Gemeinderat vielleicht in der Vergangenheit zu gutgläubig dem Wunschgedanken eines Nahwärmenetzes hingegeben habe. Die Wirtschaftlichkeit hält er trotz Untersuchung des Ingenieurbüros Liepelt für nicht gegeben, da in diesem Gutachten Durchschnittspreise und keine tagesaktuellen Preise zugrunde gelegt worden sind, wie vom Gemeinderat gefordert. Die Berechnungen würden den Eindruck erwecken, andere Heizungs-Alternativen schlechter darzustellen als sie sind, nur um der Nahwärme den Vorzug zu geben. Gegenüber der heutigen Wärmeversorgung mit Heizöl würde ein Nahwärmebezug erheblich höhere Kosten verursachen. Außerdem sei nicht tragbar, dass intakte Heizkessel, wie in der Silberdistelhalle, bereits jetzt umgestellt werden sollen. Unter dem Gesichtspunkt der schwieriger werdenden wirtschaftlichen Lage müsse man sich auf die Pflichtaufgaben konzentrieren und sich Gedanken machen, was wir uns leisten können und was nicht. Er machte deutlich, dass der beste Weg eine Sanierung der Bestandsgebäude mit Senkung des Energieverbrauchs war, da jede Kilowattstunde, die nicht erzeugt werden muss, die erneuerbarste Energie von allen ist. Die Errichtung von eigenen Photovoltaikanlagen erlaube eine Eigenversorgung von Wärme mit zukunftsoffener Technik. Die Zukunft der Gebäudetechnik gehöre der Sektorenkopplung, das heißt Stromnetz, Wärmeversorgung und Mobilität müssten gemeinsam in Gebäuden und Quartieren gedacht werden. Die Struktur in Egenhausen sei anders als in Glatten oder Pfalzgrafenweiler, da ein Wärmegroßabnehmer für die Nahwärme fehle. Ein Anschluss an die Nahwärme sei eine langfristige Entscheidung; die vorgelegten fixen Preisgleitklauseln bedeuteten stetig steigende Wärmekosten ohne einen Kostendeckel. Als Gemeinde Egenhausen wäre man bisher mit Unabhängigkeit und Eigenständigkeit sehr gut gefahren, und diese Freiheit will sich der Gemeinderat auch beim Thema Wärmeerzeugung in Zukunft offen halten. Zum Thema Standort Heizhaus wies er noch darauf hin, dass die Position des Gemeinderats zum Standort Spielberger Straße bekannt und unverändert ist; für mögliche Alternativstandorte im Gewerbegebiet Hub oder beim Dreiwasenhof wäre man aber offen, wobei der Hub favorisiert werden würde.
Bürgermeister Holder versteht die Welt nicht mehr und fragt sich, warum der Gemeinderat die Verwaltung über Monate hinweg mit Arbeitsaufträgen betraut hat und letztendlich auch die Gutachten in Auftrag gegeben hat. Die Sachlage habe sich im letzten halben Jahr nicht verändert, und wenn man das Projekt bzw. einen Anschluss an das Nahwärmenetz schlichtweg nicht wolle, wäre es fair und richtig gewesen, es spätestens im Frühjahr 2024 abzulehnen, damit die GmbH-Vertreter und auch unsere Bürgerschaft Klarheit gehabt hätten.
In verschiedenen Wortmeldungen aus der Mitte des Gremiums wurden die Beweggründe erläutert und diskutiert sowie auf die verlesene gemeinsame Stellungnahme eingegangen. Als Erklärung, warum der Gemeinderat erst jetzt zu der Erkenntnis gekommen sei, einen Anschluss an das Nahwärmenetz abzulehnen, wurde genannt, dass das neu zusammen gesetzte Gremium mit ihrem Knowhow dazu beigetragen hätte. Zudem ist aus Sicht der Gemeinderäte bis heute die Standortfrage des Heizhauses nicht geklärt. Gemeinderätin Köhler entschuldigte sich dann auch dafür, dass man bisher den Fehler gemacht habe, die Nutzbarkeit der bestehenden Heizungen nicht zu berücksichtigen und somit früher zu entscheiden. Jedoch sei die Weiternutzung der bestehenden Anlagen die ökologischste Variante.
Gemeinderat Kern erklärte, dass die vorgelesenen Ausführungen nicht seine Meinung widerspiegeln. Er stellte die Seriösität und Unabhängigkeit der anwesenden Gutachter nicht in Frage und betonte, dass die Gemeinde von Anfang an bei dem Projekt dabei gewesen sei und es trotz der geschehenen Unsäglichkeiten jetzt nicht fair sei, einfach auszusteigen. Er sei bei der Argumentation dabei, dass intakte Heizanlagen nicht einfach entsorgt werden sollten, aber da wo ein Anschluss wirtschaftlich sinnvoll möglich sei, sollte er erfolgen. Dies sei lediglich bei drei Gebäuden Rathaus, Feuerwehrgebäude und altes Schulhaus der Fall. Er formulierte daraufhin einen Beschlussantrag, der als Kompromisslösung das Projekt retten sollte, aber die Argumente der Skeptiker weitreichend berücksichtigt.
Bürgermeister Holder war es wichtig zu betonen, dass die Silberdistelhalle in dem Projekt als größter Wärmeabnehmer eine wichtige Rolle spielt und die Heizung nicht entsorgt werde, sondern als Spitzenlastkessel für das Nahwärmenetz weiter zur Verfügung stehen würde. Unter der Voraussetzung, dass die GmbH einen angemessenen Preis dafür an die Gemeinde zahlt, stellte er daraufhin, einen entsprechenden weitergehenden Beschlussantrag zur Abstimmung, vier Gebäude der Gemeinde an das Nahwärmenetz anzuschließen. Dieser Antrag bekam lediglich die Fürstimme des Bürgermeisters, die Gemeinderäte haben mit Nein gestimmt.
Anschließend wurde über den modifizierten Antrag von Gemeinderat Kern abgestimmt, lediglich drei Gebäude der Gemeinde anzuschließen, der bei 3 Ja-Stimmen und 6 Nein-Stimmen abgelehnt wurde.
Einstimmig wurde dann beschlossen, dass der Wunschstandort der Gemeinde für ein Heizhaus im Gewerbegebiet Hub wäre sowie dass dem Gestattungsvertrag mit der Wärme-GmbH, Leitungen auf öffentlicher Fläche zu verlegen, zugestimmt wird. Auch eine Sperrminorität an der GmbH will sich die Gemeinde laut weiterem Beschluss einräumen lassen, um ein Mitbestimmungsrecht an grundlegenden GmbH-Entscheidungen zu haben. Für Bürgermeister Holder machte dies nach der Ablehnung des Anschlusses aber keinen Sinn mehr und hielt dies für obsolet. Es bleibt nach dieser Entscheidung des Gemeinderats sehr fraglich, ob und wie die Egenhausen-Wärme-GmbH ohne die Gemeinde überhaupt noch wirtschaftlich ein Nahwärmenetz in der Gemeinde aufbauen kann.